BEI ANNIE, DER TAFEL, AN DER GANZ STRASSBURG ZU GAST IST…
Sie nennt sich Le Pont des Vosges und ist eine Brasserie aus dem Jahr 1900, die im damaligen Stil wiederhergestellt wurde, mit ihren bunten Fenstern, ihrer Theke, ihrer überdachten Terrasse für den Sommer; sie befindet sich im Erdgeschoss eines an der Ill gelegenen Hauses im während der Annektierung errichteten und deshalb “deutsch” genannten Stadtviertels. Sie kennen sie nicht?
Sie ist doch die Tafel, an der ganz Straßburg zu Gast ist. Gestern war Yolande Haag, die Sophia Loren der Brauerei Météor in Hochfelden, dort und umarmte (fast) alle Gäste. André Bord, der Minister für ehemalige Kriegsteilnehmer von General de Gaulle war und mit fast 90 Jahren immer noch in Form ist, thronte prachtvoll in seiner diskreten Ecke. Hélène Heimburger von den Pâtes Grand-Mère in Marlenheim , auch “Belle Hélène” genannt, saß neben Bankiers. Kurz und gut, das schicke Straßburg, das isst, ausgeht und lacht, war dort und fühlte sich wie zu Hause.
Ich erinnere mich, dass ich in den großen Zeiten von Racing, nach einem verlorenen oder gewonnenen Match, manches Mal dort zu Gast war, um die vom Chef Jean-Philippe Schubnel sorgfältig und mit Elan unter dem Blick der schönen Annie Voegel-Leclerc zubereiteten Spezialitäten des Hauses zu kosten. Wir hatten sie seinerzeit im nicht weit entfernten Ysehut am Quai Mullenheim kennengelernt. Letztere hat (blaue) Augen für alles und ein nettes Wort für jeden; sie gibt dem Ort seinen Ton, seine Atmosphäre und seine charmante Note. Der Ort hat Geschmack und Atmosphäre. Die Gerichte sind vernünftig, die Produkte frisch und hochwertig, alles mit sicherer Hand zubereitet. Dies ist eine Art zu sagen, dass wir hier im Bekannten und Vertrauten sind, nicht im Überraschenden und zu Entdeckenden.
Das Programm des Tages: Thunfisch-Tartar mit Limette und Koriander, Lauch-Vinaigrette mit geräuchertem Lachs, Thunfisch-Carpaccio mit Parmesan und gebratenen Lauch (dem Thunfisch-Carpaccio selbst fehlte es an Würze, aber man konnte Salz und Pfeffer nach Belieben hinzufügen), Frikassee vom Tintenfisch auf provenzalische Art, sautiertes Kalbsbries Natur, die klassische und perfekte gebratene Kalbsleber auf englische Art mit ihrer Scheibe Speck und dem schönen Kartoffelpüree, das Entrecôte mit Pfeffersauce. Anders ausgedrückt: man ist hier ohne weiteres glücklich, ohne der Sache überdrüssig zu werden.
Es gibt auch Météor vom Fass, einen sehr “pinotanten” und ziemlich “burgundischen” 2007er Pinot Noir aus dem Hause Beyer in Eguisheim, gut ausgewählte Desserts – hausgemachter Nougat glacé, Kuchen von Kirschen ohne Stein oder Erdbeersuppe mit Rhabarber. Kurz gesagt: Keine Angeberei, sondern Zuverlässigkeit, Bewährtes, ohne jeglichen Schnickschnack. All dies, ohne kostspielig zu sein und ohne böse Überraschung, wenn man davon absieht, das ganz Straßburg.